Freitag, 1. Februar 2013

Sexismus - Aufschrei und anderes

Sexismusdebatten allerorten, dank Brüderle. Dank Brüderle aber auch: Eine Debatte, die total falsch geführt wird, denn es geht nicht um eine Person, um einen Vorfall, sondern um den alltäglichen Wahnsinn, den so gut wie jede Frau kennt. Das Projekt #Aufschrei verdeutlicht das schon besser, hier werden (via Twitter) alltägliche Sexismusszenen aufgelistet - aber auch sexualisierte Gewalt und manche sehr heftige Geschichten, die die einen schockieren, für die anderen bitterer Alltag sind.
Schnell finden sich jene, die die Debatte wieder abwürgen oder ins Lächerliche ziehen wollen. Die Argumente sind immer ähnlich: "Haben wir keine wichtigeren Themen?" - "Man darf ja bald gar nichts mehr sagen!" - "Es ist nur Belästigung, wenn der Mann nicht gefällt, ansonsten ist es doch ein schöner Flirt!" - "Frauen sollten sich doch geschmeichelt fühlen!" - "Immer müssen Frauen die Opferrolle annehmen/aus den Männern Triebtäter machen!" - "Wehrt euch doch einfach!" - "Frauen sind doch meist selber schuld wegen ihres Verhaltens/ihrer Kleidung/etc."

Ekelhaft, ganz ehrlich. Man merkt: Allzu viele können und wollen nicht verstehen. Warum soll eine Frau sich überhaupt wehren müssen? Warum soll sie abends zuhause bleiben und nur gut verpackt das Haus verlassen dürfen? Warum soll es unfair sein, von den Menschen (Männern wie Frauen, natürlich sind auch Männer Opfer von Sexismus, wenn auch wesentlich seltener) Bewusstsein zu verlangen bei dem, was sie sagen und dem, wie sie handeln?  Warum ist diese Gesellschaft immer noch so patriarchal?

Gestern lernte ich zuhause, ich sah mir aufgezeichnete Vorlesungen auf dem Laptop an. Der Dozent sagt mit einem debilen Grinsen: "Ich benutze jetzt mal ein sexistisches Beispiel, das merkt man sich besser." Ich merke mir, dass der Dozent ein Idiot ist. Abends gehe ich einkaufen. Beim Bäcker prangt ein gigantisches Bild, das nichts zeigt außer einem Busen. Seit wann gilt auch bei Brötchen "Sex sells"? Ich gehe an einem H&M-Plakat vorbei, dass eine (halbtot retouchierte) Frau eindeutig als sexuell verfügbar darstellt. "Liebe ist käuflich" heißt es darauf, aber natürlich bezieht sich das nur auf die schöne Unterwäsche ...
Ich gehe zum Sport. Eigentlich wollte ich in den Pilateskurs, doch ich sehe einen männlichen Trainer, der beim Korrigieren der Haltungen der Frauen ganz schön an Oberschenkel, Po und restlichem Körper zupackt. Erinnerungen an den Sportunterricht in der Oberstufe kommen hoch - an einen Lehrer, der keine anzügliche Bemerkung, keinen beherzten Griff ausließ, sodass sich die Mädchen letztlich immer nur in Grüppchen an ein Sportgerät wagten, damit sie einander helfen konnten, statt sich begrabschen zu lassen. Der Direktor war taub für alle Vorwürfe: "Habt euch mal nicht so!". Ich gehe nicht in den Kurs, sondern trainiere lieber allein.

Wieder zuhause: Ein Lichtblick, die Petition von Pinkstinks, die sich gegen sexualisierte Werbung wendet, wird gleich unterzeichnet:  http://pinkstinks.de/?page_id=1010/

Und im Kalender notiert wird der 14. 2. - nein, ich werde nicht den Valentinstag feiern und dem Konsum fröhnen mit Pralinen und Rosen, die meist unter menschenunwürdigen und umweltschädlichen Bedingungen gezüchtet wurden. Ich werde tanzen und zwar im Rahmen einer wunderbaren Aktion, die sich gegen Gewalt gegen Frauen richtet: One Billion Rising

Dann ist es spät. Ich gehe schlafen und träume mir eine frauenfreundlichere Welt.

5 Kommentare:

  1. Toller Beitrag, sprichst mir aus der Seele =)

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  2. Hi,

    ich finde es bedenklich, dass viele offenbar männliche Kommentatoren zum Thema nicht nur die Opferrolle der Frau kritisieren, sondern sich gleich selbst zu Opfern stilisieren, die ja unter dem weiblichen Sexismus mindestens ebenso schlimm zu leiden hätten.

    Ich glaube gern, dass es Situationen gibt, in denen Frauen sich Männern gegenüber sexistisch verhalten - aber zum einen vermute ich, dass schon die reine Zahl der Vorfälle nicht in Relation zu dem steht, was Frauen unter Männern erdulden müssen.
    Zum anderen rechtfertigt doch kritikwürdiges Verhalten anderer nicht das eigene Fehlverhalten.

    Zudem ist unsere Gesellschaft nach wie vor patriarchalisch geprägt. Auf dem Papier sicher weniger, als noch vor 100 Jahren aber in den Köpfen leben altes Denken, überkommene Traditionen fast unverändert fort, so scheint es mir manchmal. Die Situation, aus der heraus Frauen für Respekt und Gleichberechtigung kämpfen, ist immer noch eine schlechtere, als die, in der sich die Männer befinden, die jetzt so lautstark den weiblichen Sexismus und fehlenden Respekt anprangern.

    Ich halte weder Männer noch Frauen für bessere Menschen und denke, dass im Denken aller noch viel zu tun ist aber dass Männer bei diesem Thema so reflexartig mit dem Finger auf Frauen zeigen ist in meinen Augen vollkommen absurd.

    Mich ärgert sowas.

    Trotzdem liebe Grüße,
    Gregor

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  3. Ich glaube, viele Männer wehren sich deswegen so vehement gegen "diese Lappalie", weil sie sich die alltägliche Situation nicht vorstellen können. Gestern nacht fragte ich meinen Freund: "Ist es dir noch nie passiert, dass dir eine fremde Frau an den Hintern gegriffen hat und du das unangenehm fandest?" - "Doch, klar, aber das war nur einmal und ist Jahre her." Wie schön, wenn es so etwas für die meisten Frauen auch "nur einmal" gäbe...

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  4. Manchmal habe ich das Gefühl, dass die Herren ein wenig Angst vor uns haben. Und um dann doch wenigstens etwas das Ego zu bauchpinseln bzw. zu zeigen, wer die Hosen anhat, wird die "Sex-Karte" gezogen. Weshalb sonst wird frau immer gleich als Hure oder Nutte beschimpft, egal welches "Streitthema" gerade behandelt wird? Ich finde das sehr schlimm, es ist persönlich herabwürdigend und vor allem überflüssig. Was ich aber auch nicht richtig finde, im Falle dieser Reporterin, weshalb hat Sie so viel Zeit verstreichen lassen? Wenn mir doch etwas nicht passt, vielleicht schlafe ich einmal drüber um abzuwägen, aber dann gehe ich es an, gerade bei Belästigung, wehred den Anfängen! Leichter gesagt als getan, aber nur beim ersten Mal.....

    Liebe Grüsse
    Silberweide

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  5. Oh, das sagst du was! Vielen Dank für deinen Post! Ich rege mich seit Tagen so auf. So sehr. Auch ich möchte noch zu dem Thema bloggen, wollte aber erst einmal ein bisschen die Gedanken ordnen, die sich bei diesem Thema aufdrängen. Es geht um so viel, was momentan in einen Topf geworfen wird, aber alles unheimlich wichtig ist. Um das Ausnutzen von Machtpositionen (...die ja in der Regel Männer inne haben), um sexuelle Belästigung von anderen Menschen (meistens, wenn auch nicht immer, Frauen) generell usw. Es ist alles furchtbar ernüchternd. Und es kommt einiges hoch.
    Ich habe mir zum "Ausgleich" erst einmal zwei feministische Bücher (mein ersten!) bestellt und werde nächstes Semester auch endlich mal ein paar Gender-Seminare besuchen. Ich wusste es eigentlich auch schon davor, aber solche Situationen machen mir immer noch bewusster, was wir noch für einen langen Weg vor uns haben...

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